Persönliches Statement

In der Physiotherapie und in den Gesundheitswissenschaften ist Prävention ein wichtiger Baustein. Vorsorge ist besser als Nachsorge. Ein wesentlicher Bestandteil des Therapieansatzes ist unter anderem die Bewahrung oder Wiederherstellung von Partizipation und Teilhabe. Von Bedeutung ist daneben eine aufrechte Haltung und ein stabiles Rückgrat.

Das gilt ebenso für andere Lebensbereiche.

Wer heute das Privileg genießt, in einer Demokratie leben zu dürfen, profitiert davon in besonderer Weise. Für den Erhalt demokratischer Strukturen braucht es unter anderem mündige BürgerInnen, gute Bildungseinrichtungen, ein funktionierendes Gesundheitswesen, eine klimafreundliche Umwelt und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Von Vorteil ist es, wenn die Menschen Werte und Normen teilen, wenn sie einander Achtung, Respekt sowie Anstand entgegenbringen und sich in Demut voreinander begegnen. Dabei dürfen und müssen sie konstruktiv streiten, damit schließlich jeweils die bestmögliche Lösung für Herausforderungen gefunden werden kann. Das setzt ein tiefes Verständnis füreinander voraus. Niemand behauptet, dass das einfach sei. Im Gegenteil: Das ist sehr anstrengend! Jedes Mitglied der Gesellschaft bleibt aufgefordert, sich seinen Möglichkeiten entsprechend einzubringen. Wir tragen Verantwortung für unser Handeln. Das ist alles andere als bequem.

Viel einfacher ist es, wenn wir uns einredeten, wir könnten ja doch nichts ändern. Viel gemütlicher ist es, wenn wir uns selbst der Verantwortung entledigen. Wir hafteten dann auch nicht für unsere Verfehlungen: Schuld trüge immer jemand anderes. Wie komfortabel wär das denn?

Wir leben nicht im Paradies. Aber wir haben eine Menge Gestaltungsspielraum. Voraussetzung dafür ist, dass wir uns vergegenwärtigen, welchen Stellenwert jedes Mitglied unserer Gesellschaft dabei hat: Wir sind alle gleich im Wert. Wir haben alle dieselben Rechte. Wir sind alle gleich wichtig.

Stellen wir uns die Frage, was wir wollen und wie wir das zusammen erreichen. Versetzen wir uns in die Lage unserer Mitmenschen. Gehen wir mit ihnen genauso um, wie wir es von ihnen uns gegenüber erwarten. Strengen wir uns an, herauszufinden, was Wahrheit und was Lüge ist. Vollziehen wir Perspektivwechsel. Verständigen wir uns auf gemeinsame Ziele. Machen wir uns die Mühe und üben wir uns im Kompromiss.

Finden wir wieder zusammen, indem wir nicht gegeneinander, sondern miteinander gestalten. Lassen wir nicht zu, wenn versucht wird, offensichtlich zu spalten. Stärken wir das Wir-Gefühl! Denn: Wir sind das Volk.

In einer Demokratie mit all ihren Annehmlichkeiten zu leben ist einfach. Sie zu erhalten ist anstrengend, sie wieder zu erlangen leidvoll.

Erich Kästner mahnte: Drohende Diktaturen ließen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen hätten. Danach sei es zu spät.

In meiner Arbeit betreue ich einige Menschen, die das Dritte Reich miterlebt haben.

Was eine meiner Patientinnen zu mir sagte, möchte ich mit Ihnen teilen, denn das berührt mich sehr: „Wenn ich heute diese jubelnden Massen sehe, wenn ich sehe, wie sie grölend und wieder mit Fackeln durch unsere Straßen ziehen ... Dann schäme ich mich in Grund und Boden. Heute noch! Wie ist das bloß möglich? Wo hatten die ihre Augen? Oder ihren Verstand? Oder was immer da zum Tragen kommt. Wo war das? Man brauchte doch nur ein bisschen Gefühl für menschlichen Anstand zu haben. Mehr war doch gar nicht nötig!“

Niemand wird später behaupten können, er habe nicht gewusst, was menschenverachtendes Gedankengut anrichten kann.

Seien wir also wachsam. 

Besinnen wir uns auf menschlichen Anstand. Stärken wir unser Rückgrat und zeigen Haltung.

All das darf und muss gesagt werden.

Herzliche Grüße

Silvia-Reetta Deppermann